Eröffnung „Toilette für alle“ im Zoo

Der Zoo hat als erste überregionale Freizeiteinrichtung eine „Toilette für alle“ errichtet – der Impuls kam von der Lebenshilfe Osnabrück.

Der Zoo mit dem Teilhabe-Extra

Eine „Toilette für alle“: Wie eine ungewöhnliche Partnerschaft zum Inklusions-Vorbild wird

Zugegeben – auf den ersten Blick ist es eine eher ungewöhnliche Runde, die sich Ende Mai am Giraffenspielplatz im Zoo trifft: Zoopräsident Reinhard Sliwka ist dabei, Kai Schaupmann, Geschäftsführer der Osnabrücker Sanitärfirma Joh. Wolfgang Fischer GmbH, Timo Bußmann, Vertriebsleiter der Rehatechnikfirma Gehrmeyer und Thomas Schmidt-Benkowitz, stellvertretender Vorsitzender der Lebenshilfe Osnabrück. Der Anlass dieses Treffens ist ein Projekt, das selbst überregional viel Beachtung findet: Als erste Freizeiteinrichtung der Region – und als erster deutscher Zoo überhaupt – hat der Zoo jetzt eine „Toilette für alle“. Dank dieser besonderen Runde.

Rückblende: Im Frühsommer 2018 geht es in einer Vorstandssitzung der Lebenshilfe um die Frage, wie Familien mit Kindern mit hohem Pflegebedarf ihre Freizeit gestalten. „Diese Familien richten ihre Ausflüge daran aus, wo ihre Kinder oder auch Angehörigen gewickelt werden können“, sagt Thomas Schmidt-Benkowitz. „Fakt ist aber: Bislang gab es in Osnabrück aber keine Möglichkeit, große Kinder oder junge Erwachsene zu wickeln.“ Sprich: Diese Familien hatten so gut wie keine Möglichkeit, lange Ausflüge zu planen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. „Unser Ergebnis war: Wie wär’s, wenn wir mal den Zoo als Freizeit-Leuchtturm ansprechen und fragen, ob sie einen solchen Raum mit Pflegeliege und auch Lifter einrichten würden?“ Gesagt getan, die Anfrage wurde gestellt – inklusive des Angebots, die elektrisch höhenverstellbare Pflegeliege zu sponsern.

Passender Raum

„Unser Zoo soll ein Erlebnis für alle Menschen sein“, betont Zoopräsident Reinhard Sliwka. „Uns war sofort klar, dass ein solches Angebot noch fehlte – und dass wir das ändern.“ Eine schnelle Prüfung ergibt: Passenderweise steht am Giraffenspielplatz ein Gebäude leer, das als Aufenthaltsraum für Tierpfleger genutzt wurde – und sich mit seiner Größe von 14 m2 perfekt für eine „Toiletten für alle“ eignet. „Das soll so sein“, sagt sich der stellvertretende Zooinspektor Thorsten Vaupel. Er nimmt sich dem Projekt als „Kümmerer“ an – und das mit viel Elan und hohem persönlichen Engagement.

Partner schnell „an Bord“

Im September 2018 verkünden der Zoo und die Lebenshilfe öffentlich: Wir bauen eine „Toilette für alle“. Und direkt nach der Berichterstattung meldet sich Kai Schaupmann. „Wir sind langjähriger Partner des Zoos – und Experten für sanitäre Anlagen“, so der Geschäftsführer der Firma Joh. Wolfgang Fischer GmbH. Schaupmann bietet an, als Sponsorleistung die Leitungen und Rohre zu erneuern sowie das unterfahrbare Waschbecken und das WC zu besorgen. Parallel meldet sich die Firma Gehrmeyer: „Ein Super-Projekt – da wollen wir als Zoo-Partner und Experten für Hilfsmittel und Rehatechnik ebenfalls dabei sein“, sagt Vertriebsleiter Timo Bußmann – und sponsert einen mobilen Lifter, um die Menschen mit hohem Pflegebedarf vom Rollstuhl auf die Pflegeliege und wieder zurück liften zu können. „Somit waren wir in Windeseile vier tolle Partner für ein einzigartiges Projekt“, sagt Thorsten Vaupel.

100 Arbeitsstunden

Über die ruhigen Wintermonate wird der Raum entkernt. In etwa 100 Arbeitsstunden verwandeln die Zoohandwerker den ehemaligen Pflegerraum in einen einladenden Pflegeraum – den die doch nicht so ungewöhnliche Runde Ende Mai offiziell eröffnet. Zu guter Letzt klebt Thorsten Vaupel das Schild mit dem entsprechenden Piktogramm an die Tür der neuen „Toilette für alle“. „Wir hatten in der Vergangenheit immer wieder Anfragen, ob ältere Kinder oder Erwachsene im Zoo gewickelt werden können. Das ist jetzt möglich!“

Pionierarbeit statt DIN-Norm

Vaupel hat in den vergangenen Wochen und Monaten viel Zeit und Mühen in die kleinen Fragen und Details investiert. Denn: Was in anderen Ländern bereits per Norm geregelt und zur Normalität geworden ist, ist in Deutschland noch eine Ausnahme und Pionierarbeit. So erarbeitet Vaupel eine leicht verständliche Anleitung für die Bedienung der höhenverstellbaren Liege. Um den Raum vor Vandalismus zu schützen, wird ein Code-Schloss angebracht: „Den Zugangscode erhalten Begleitpersonen beim Betreten des Zoos.“ Außerdem empfiehlt Thorsten Vaupel den Nutzern aus hygienischen Gründen ein eigenes Hebetuch für den Lifter sowie eine Wickelunterlage mitzubringen.

Inklusions-Vorreiter

Mit dem neuen Pflegeraum hat der Zoo Osnabrück ein Alleinstellungsmerkmal – und wird für neue Zielgruppen attraktiv. „Betroffene Familien tauschen sich über geeignete Freizeitmöglichkeiten aus“, weiß Thomas Schmidt-Benkowitz. Die Nachricht über die Eröffnung verbreitet sich daher auch rasend schnell und wird zigfach über Social Media geteilt und verbreitet. Der stellvertretende Lebenshilfe-Vorsitzende hofft ebenso wie Reinhard Sliwka, dass das Beispiel Schule macht: „Wir sind jedenfalls schon von weiteren überregionalen Freizeiteinrichtungen angesprochen worden, die sich bei uns erkundigt haben, wie wir das Projekt auf die Beine gestellt haben.“ Und wer weiß: Vielleicht kommt diese doch nicht so ungewöhnliche Runde nochmal öfter zusammen.

Wer mehr wissen will:

Die Stiftung „Leben pur“ setzt sich dafür ein, dass es bundesweit an öffentlichen Orten mehr „Toiletten für alle“ gibt – und orientiert sich dabei an Ländern wie z.B. Großbritannien, wo „Toiletten für alle“ durch entsprechende DIN-Normen inzwischen gängiger Standard geworden sind.

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